VON
Dr. WILHELM KOBELT,
ARZT IN SCHWANHEIM AM MAIN.
Mit IX lithographirten Tafeln.
Aus den Jahrbüchern des Nassauischen Vereins für Naturkunde, Jahrg. XXV u. XXVI.
Wiesbaden.
Julius Niedner,
Verlagshandlung.
1871.
Die Weichthierfauna unseres Vereinsgebietes, obwohl literarischbesser bedacht, als die vieler anderer deutschen Bezirke, ist nochweit davon entfernt, ganz erforscht zu sein; vielmehr ist der grössteTheil von Nassau in malacologischer Beziehung noch eine vollständigeterra incognita. Es muss dies Wunder nehmen, wenn man bedenkt,dass in keinem Zweige der Naturgeschichte die Ausbeutungeiner bestimmten Gegend so verhältnissmässig rasch und leicht möglichist, wie in der Conchyliologie, während dieselbe doch andererseitsauch nach Jahre langem Studium immer Neues und Interessantesbietet und nie zum vollständigen Abschluss kommen lässt, alsofür den Dilettanten, der sich wissenschaftlich beschäftigen will, ganzbesonders geeignet ist. Der Hauptgrund für die Vernachlässigungdieses Zweigs der Naturgeschichte scheint mir in dem Mangel billigerund dabei doch ausreichender literarischer Hilfsmittel zu liegen.Während es genug gute Bücher über die deutschen Pflanzen, Käferund Schmetterlinge gibt, fehlt es noch ganz an einer Molluskenfaunavon Mitteldeutschland mit guten Abbildungen und Berücksichtigungder anatomischen Verhältnisse; wer die Conchylien seiner[S. 4]nächsten Umgebung studiren will, ist auf dieselben kostspieligenHilfsmittel angewiesen, wie der, welcher die Mollusken von ganzEuropa und selbst des Auslandes zu seinem Studium macht.
Diese Erwägung veranlasste mich, nicht, wie es ursprünglichmein Plan war, nur die über verschiedene Gegenden unseres Vereinsgebietesveröffentlichten Arbeiten, durch meine eigenen mehrjährigenBeobachtungen und die Fundortsangaben zuverlässiger Freunde vermehrtzu einem Verzeichniss der Conchylien des gesammten Nassauzu verschmelzen, sondern auch durch Beigabe ausführlicher Beschreibungenund eine möglichst vollständige Zusammenstellung alles dessen,was über inneren Bau, Entwicklung und Lebensweise bekannt ist,eine Grundlage zu bieten, von der aus der Anfänger die Fauna seinerGegend studiren und sich die Fähigkeit zu eigenen Beobachtungenund Untersuchungen erwerben kann.
Der Vorstand des nassauischen Vereins für Naturkunde billigtemeinen Plan und machte es mir möglich, auf neun Tafeln Abbildungenunserer sämmtlichen Schnecken, mit Ausnahme der Nacktschnecken,zu geben.
Für die Form des Werkes im Grossen und Ganzen diente mirdie zweite Auflage der Fauna von Siebenbürgen von E. A. Bielzzum Vorbild; doch glaubte ich die lateinischen Diagnosen, deren Inhaltja doch in den deutschen Beschreibungen wiederholt wird, füglichweglassen zu können und habe lieber den anatomischen Verhältnissenund der Lebensweise mehr Raum gegönnt. Die Beschreibungensind in der Regel fast wörtlich die Rossmässlers; es kanneben nur eine richtige Beschreibung geben, und da es unmöglichist, bessere als die Rossmässler’schen zu geben, so hätte derVersuch dazu nur zu einer Verschlechterung oder im günstigstenFalle zu einer mühsamen Umschreibung führen können. Auch eine[S. 5]Anzahl Abbildungen sind aus der Iconographie oder a