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Märchen-Almanach auf das Jahr 1827

Wilhelm Hauff

Inhalt:

Der Scheik von Alessandria und seine Sklaven (Rahmenerzählung)
Der Zwerg Nase
Abner, der Jude, der nichts gesehen hat
Der arme Stephan
Der gebackene Kopf
Der Affe als Mensch (Der junge Engländer)
Das Fest der Unterirdischen
Schneeweißchen und Rosenrot
Die Geschichte Almansors

Der Scheik von Alessandria und seine Sklaven

Wilhelm Hauff

Der Scheik von Alessandria, Ali Banu, war ein sonderbarer Mann; wenner morgens durch die Straßen der Stadt ging, angetan mit einem Turban,aus den köstlichsten Kaschmirs gewunden, mit dem Festkleide und demreichen Gürtel, der fünfzig Kamele wert war, wenn er einherginglangsamen, gravitätischen Schrittes, seine Stirne in finstere Faltengelegt, seine Augenbrauen zusammengezogen, die Augen niedergeschlagenund alle fünf Schritte gedankenvoll seinen langen, schwarzen Bartstreichend; wenn er so hinging nach der Moschee, um, wie es seineWürde forderte, den Gläubigen Vorlesungen über den Koran zu halten:da blieben die Leute auf der Straße stehen, schauten ihm nach undsprachen zueinander: "Es ist doch ein schöner, stattlicher Mann, undreich, ein reicher Herr", setzte wohl ein anderer hinzu, "sehr reich;hat er nicht ein Schloß am Hafen von Stambul? Hat er nicht Güter undFelder und viele tausend Stück Vieh und viele Sklaven?"

"Ja", sprach ein dritter, "und der Tatar, der letzthin von Stambulher, vom Großherrn selbst, den der Prophet segnen möge, an ihngeschickt kam, der sagte mir, daß unser Scheik sehr in Ansehen stehebeim Reis-Effendi, beim Kapidschi-Baschi, bei allen, ja beim Sultanselbst."

"Ja", rief ein vierter, "seine Schritte sind gesegnet; er ist einreicher, vornehmer Herr, aber—aber, ihr wißt, was ich meine!" "Ja,ja!" murmelten dann die anderen dazwischen, "es ist wahr, er hat auchein Teil zu tragen, möchten nicht mit ihm tauschen; ist ein reicher,vornehmer Herr; aber, aber!"

Ali Banu hatte ein herrliches Haus auf dem schönsten Platz vonAlessandria; vor dem Hause war eine weite Terrasse, mit Marmorummauert, beschattet von Palmbäumen; dort saß er oft abends undrauchte seine Wasserpfeife. In ehrerbietiger Entfernung harrten dannzwölf reichgekleidete Sklaven seines Winkes; der eine trug seinenBetel, der andere hielt seinen Sonnenschirm, ein dritter hatte Gefäßevon gediegenem Golde, mit köstlichem Sorbet angefüllt, ein viertertrug einen Wedel von Pfauenfedern, um die Fliegen aus der Nähe desHerrn zu verscheuchen; andere waren Sänger und trugen Lauten undBlasinstrumente, um ihn zu ergötzen mit Musik, wenn er es verlangte,und der gelehrteste von allen trug mehrere Rollen, um ihm vorzulesen.

Aber sie harreten vergeblich auf seinen Wink; er verlangte nichtMusik noch Gesang, er wollte keine Sprüche oder Gedichte weiserDichter der Vorzeit hören, er wollte keinen Sorbet zu sich nehmen,noch Betel kauen, ja, selbst der mit dem Fächer aus Pfauenfeder hattevergebliche Arbeit; denn der Herr bemerkte es nicht, wenn ihn eineFliege summend umschwärmte. Da blieben oft die Vorübergehendenstehen, staunten über die Pracht des Hauses, über diereichgeklei

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