Nikolaus Gogol
Briefwechsel II
Nikolaus Gogol
Sämmtliche Werke
In 8 Bänden
Herausgegeben
von
Otto Buek
Band 8
München und Leipzig
bei Georg Müller
1914
Nikolaus Gogol
Zweiter Teil
Hans Küchelgarten
München und Leipzig
bei Georg Müller
1914
Ich weiß nicht, wie ich Ihnen für Ihren Briefund die zahlreichen Mitteilungen danken soll, dieer enthält, liebster, bester Arkadij Ossipowitsch.Wenn ich häufiger das Glück hätte, solche Briefe zu erhalten,selbst wenn sie nicht von solch herzlicher Teilnahmeund Liebe zu mir erfüllt wären, müßte ich schonlängst viel klüger sein, als ich es jetzt bin. Aber wassoll ich tun, wenn es mir durchaus nicht gelingen will,jemand in irgendeiner Weise davon zu überzeugen, daßich wissen muß, was man über mich spricht, daß dasdie einzige Gelegenheit für mich ist, etwas zu lernen,kurz, daß es einen Menschen gibt, dem man die Wahrheitsagen muß, so hart und bitter sie auch sein mag,und für den selbst die harten und rohen Worte, wie sienur dem Haß und der Lieblosigkeit entspringen, ein Bedürfnissind? So war denn auch einer der Gründe, dermich dazu bestimmte, meine Briefe herauszugeben —das Bedürfnis, zu lernen, und nicht etwa das — andere zubelehren. Da man jedoch einen Russen nicht anderszum Reden veranlassen kann, als dadurch, daß man ihnerzürnt und ungeduldig macht, so habe ich beinahe mitVorbedacht eine Reihe von Stellen in den Briefwechselaufgenommen, die die Menschen durch ihren arrogantenTon verletzen und an ihrer empfindlichsten Stelle treffenmußten.
Ich kann Ihnen allen Ernstes versichern: ich leideaußerordentlich darunter, daß ich sehr viele Dinge nichtkenne, die ich unter allen Umständen kennen müßte; ichleide darunter, daß ich eigentlich gar nicht weiß, washeutzutage die Menschen aller Berufsarten, Ämter undaller Bildungsstufen in Rußland darstellen. Alles, wasich hierüber bisher unter einem ungeheuren Aufwandvon Mühe ermitteln konnte, ist nicht ausreichend, wennmeine „Toten Seelen“ das werden sollen, was sie eigentlichsein sollten. Das ist der Grund, weswegen ich sosehr danach dürste, zu erfahren, was die Menschen allerKlassen mit Einschluß der Bedienten und Lakaien übermein gegenwärtiges Buch sagen — nicht eigentlich imInteresse meines Buches selbst, sondern weil sich derBeurteiler mit seinem Urteil über das Werk am bestencharakterisiert. Aus einem solchen Urteil kann ich sofortentnehmen, was er selbst für ein Mensch ist, auf welchemNiveau geistiger Bildung er steht, wie es in seinerSeele aussieht, ob er