Die Bücher der Abtei Thelem
Zwölfter Band
Erasmus / Lob der Narrheit
aus dem Lateinischen
des Erasmus.
Berlin und Leipzig, 1781.
Bey Georg Jacob Decker, Königl. Hofbuchdrucker.
Mit Kupfern von Holbein, neu erschienenbei Georg Müller zu München im Jahre 1918
Als ein Kind launiger Muse will Erasmus von Rotterdam seineweltberühmte Schrift Das Lob der Narrheit beurteilt wissen.In dem Widmungsbriefe an den jüngeren, damals (1498) zwanzigjährigenThomas Morus, späteren Kanzler Heinrichs VIII. von England, demihn gemeinsame humanistische Studien verbanden, erzählt der Verfasser,wie ihm die Idee zu dem Buche auf dem Heimritt von Welschland gekommensei. Es ist kein Grund daran zu zweifeln, daß dieses populärste Werkdes deutschen Humanismus mehr oder minder zufällig koncipiert und miteiner Art spielerischen Vergnügens ausgeführt wurde. Erasmus selber hatwohl nie geahnt, daß die geistreiche aber leicht gezimmerte Arbeit,die ihm nichts als ein Ausruhen von ernsten, gelehrten Forschungenbedeutete, seinen internationalen Ruhm für alle Zeiten begründen würde.
Das in eleganter Latinität geschriebene und in alle Kultursprachenübersetzte Werk verdankt seine äußere Anregung dem deutschen„Narrenschiff“ des Sebastian Brant, kommt aber geistig aus vielfrüherer Zeit her, nämlich aus der freieren Sphäre des attischenSpötters Lukian, von dem es den feineren Witz, die überlegene Ironieund die aller Didaktik fremde, jeglicher Moralisation abholdeweltmännische Art hat. Hinter dem tollen Wirrwarr menschlichenTreibens, hinter den Mängeln, Schwächen, Fehlern und Untugenden siehtErasmus die Thorheit als etwas nur Allzumenschliches an. Sie ist ihmdasjenige geistige Element, das dem Erdendasein überhaupt erst Reizund Wert verleiht. Das Horazische Dulce est desipere in locoist hier zu einem Prinzip der Weltanschauung erhoben und wird halbim Ernst, halb im Scherz von einer lächelnden Lebensphilosophie alsVademecum für jeden Erdenpilger gepriesen. Daß der geistreicheund seine Thesen mit unzähligen gelehrten Zitaten erhärtende Autorsich dabei nicht immer konsequent bleibt und mitunter wie z. B. inseiner Polemik gegen Kirche und Theologie aus dem Ton und der Rolleeines Lobredners der Thorheit fällt, darf weiter nicht verwunderlicherscheinen.
Die vorliegende Übersetzung ist mit ausgewählten Holzschnitten nach denRandzeichnungen von Erasmus Freunde Holbein geziert, die der Meister inein Exemplar der Frobenschen zu Basel aufbewahrten Ausgabe eingetragen