Das Wirtshaus im Spessart (Rahmenerzählung) |
Die Sage vom Hirschgulden |
Das kalte Herz I |
Saids Schicksale |
Die Höhle von Steenfoll—Eine schottländische Sage |
Das kalte Herz II |
Vor vielen Jahren, als im Spessart die Wege noch schlecht und nicht so häufigals jetzt befahren waren, zogen zwei junge Burschen durch diesen Wald. Der einemochte achtzehn Jahre alt sein und war ein Zirkelschmied, der andere, einGoldarbeiter, konnte nach seinem Aussehen kaum sechzehn Jahre haben und tatwohl jetzt eben seine erste Reise in die Welt. Der Abend war schonheraufgekommen, und die Schatten der riesengroßen Fichten und Buchenverfinsterten den schmalen Weg, auf dem die beiden wanderten. Der Zirkelschmiedschritt wacker vorwärts und pfiff ein Lied, schwatzte auch zuweilen mit Munter,seinem Hund, und schien sich nicht viel darum zu kümmern, daß die Nacht nichtmehr fern, desto ferner aber die nächste Herberge sei; aber Felix, derGoldarbeiter, sah sich oft ängstlich um. Wenn der Wind durch die Bäumerauschte, so war es ihm, als höre er Tritte hinter sich; wenn das Gesträuch amWege hin und her wankte und sich teilte, glaubte er Gesichter hinter denBüschen lauern zu sehen.
Der junge Goldschmied war sonst nicht abergläubisch oder mutlos. In Würzburg,wo er gelernt hatte, galt er unter seinen Kameraden für einen unerschrockenenBurschen, dem das Herz am rechten Fleck sitze; aber heute war ihm dochsonderbar zumute. Man hatte ihm vom Spessart so mancherlei erzählt; eine großeRäuberbande sollte dort ihr Wesen treiben, viele Reisende waren in den letztenWochen geplündert worden, ja man sprach sogar von einigen greulichenMordgeschichten, die vor nicht langer Zeit dort vorgefallen seien. Da war ihmnun doch etwas bange für sein Leben, denn sie waren ja nur zu zweit und konntengegen bewaffnete Räuber gar wenig ausrichten. Oft gereute es ihn, daß er demZirkelschmied gefolgt war, noch eine Station zu gehen, statt am Eingang desWaldes über Nacht zu bleiben.
„Und wenn ich heute nacht totgeschlagen werde und um Leben und alleskomme, was ich bei mir habe, so ist’s nur deine Schuld, Zirkelschmied;denn du hast mich in den schrecklichen Wald hereingeschwätzt.“
„Sei kein Hasenfuß“, erwiderte der andere, „ein rechterHandwerksbursche soll sich eigentlich gar nicht fürchten. Und was meinst dudenn? Meinst du, die Herren Räuber im Spessart werden uns die Ehre antun, unszu überfallen und totzuschlagen? Warum sollten sie sich diese Mühe geben? Etwawegen meines Sonntagsrocks, den ich im Ranzen habe, oder wegen des Zehrpfennigsvon einem Taler? Da muß man schon mit Vieren fahren, in Gold und Seidegekleidet sein, wenn sie es der Mühe wert finden, einen totzuschlagen.“
„Halt! Hörst du nicht etwas pfeifen im Wald?“ rief Felix ängstlich.
„Das war der Wind, der um die Bäume pfeift, geh nur rasch vorwärts, langekann es nicht mehr dauern.“
„Ja, du hast gut reden wegen des Totschlagens“, fuhr derGoldarbeiter fort. „Dich fragen sie, was du hast, durchsuchen dich undnehmen dir allenfalls den Sonntagsrock und den Gulden und dreißig Kreuzer; abermich, mich schlagen sie gleich anfangs tot, nur weil ich Gold und Geschmeidemit mir führe. „
„Ei, warum sollten sie dich totschlagen deswe