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Eine Novelle
von
Nicolaj Gogol
Ins Deutsche übertragen
von
Rudolf Kassner
Im Insel-Verlag zu Leipzig
In5einer Ministerialabteilung – besser ich nenne sienicht, denn es gibt nichts Empfindlicheres als unsereBeamten, Offiziere und Kanzlisten. Heute fühlt wirklichschon jeder Privatmensch in seiner Person dieganze Gesellschaft beleidigt. Da soll neulich derBericht eines Polizeihauptmannes – ich weiß nichtmehr aus welcher Stadt – vorgelegen haben, worindieser breit ausführt, daß die kaiserlichen Verordnungenallenthalben nichts mehr gelten und der geheiligteName eines Polizeihauptmannes mit unverhohlenerVerachtung ausgesprochen werde, und zumBeweis legte er dem Bericht einen dickleibigen Romanbei, allwo auf jeder zehnten Seite ein Polizeihauptmannin völlig betrunkenem Zustande erscheint. Umalso Unannehmlichkeiten zu vermeiden, nenne ichdie Ministerialabteilung, um die es sich hier handelt,lieber eine Ministerialabteilung, irgendeine …
In einer Ministerialabteilung also diente ein Beamter,irgendeiner. Man kann nicht gut sagen, erhätte herausgeragt aus der Schar der anderen, denner war klein, pockennarbig, rothaarig, kurzsichtig,hatte eine Glatze und kleine verrunzelte Bäckchen,und aus seiner Gesichtsfarbe konnte man auf Hämorrhoidenschließen. Doch dagegen ist nichts zumachen. Schuld trägt das Petersburger Klima. Umseinen Rang nicht zu vergessen, da man bei uns vorallem den Rang angeben muß – er war das, wasman einen ewigen Titularrat nennt, über welchensich bekanntlich hier schon verschiedene Schriftstellerlustig gemacht haben; diese können nun einmal6nicht von der Gewohnheit lassen, gerade aufsolche Leute loszugehen, die sich nicht wehren können.Er hieß Baschmatschkin, und sein Vornamelautete Akaki Akakiewitsch. Es ist wohl möglich,daß letzterer dem Leser merkwürdig und ein weniggesucht erscheine, doch ich kann ihm versichern,daß nach diesem Namen in Wirklichkeit nicht gesuchtworden war, daß vielmehr Umstände eingetretenwaren, die jeden anderen ausschlossen, unddas hatte sich so zugetragen. Akaki Akakiewitschwurde, wenn ich mich recht erinnere, in der Nachtdes 23. März geboren. Seine selige Mutter, eineBeamtenfrau und ein überaus braves Weib, machte,wie sich das gehört, sofort Anstalten, daß das Kindgetauft werde. Sie lag noch im Bett, und rechts vonihr stand der Pate Iwan Iwanowitsch Jeroschkin, Abteilungschefim Senat und ein ganz ausgezeichneterMann, und die Patin Arina Semenowa Bjelobruschowa,die Gattin eines Polizeileutnants und zudem mitseltenen Tugenden begabt. Pate und Patin ließender Wöchnerin die Wahl zuerst unter folgenden dreiNamen: Mokia, Sossia und Chosdadat, der Märtyrer,doch sie wollte nicht: »Ne