Novelle
von
L. N. Tolstoi
Ins Deutsche übertragen
von
H. Röhl
Im Insel-Verlag zu Leipzig
Zweite Auflage
11. – 15. Tausend
Es war in den siebziger Jahren, an einem 7. Dezember,also am Tage nach St. Nikolaus. Im Kirchspiel warFeiertag, und der Herbergswirt und Kaufmann zweiter GildeWasili Andrejitsch Brechunow hatte das Dorf noch nicht verlassenkönnen; denn zuerst hatte er in der Kirche anwesendsein müssen, da er Kirchenältester war, und dann hatte ernicht umhin gekonnt, in seinem Hause seine Verwandten undBekannten zu empfangen und zu bewirten. Aber nun warendie letzten Gäste abgefahren, und Wasili Andrejitsch machtesich bereit, sofort zu einem benachbarten Gutsbesitzer zu fahren,um diesem einen kleinen Wald abzukaufen, um den er schonlange gehandelt hatte. Wasili Andrejitsch hatte es mit dieserFahrt eilig, damit ihm nicht städtische Händler dieses vorteilhafteGeschäft wegschnappten. Der junge Gutsbesitzerforderte für den Wald nur aus dem Grunde zehntausendRubel, weil Wasili Andrejitsch ihm siebentausend dafür gebotenhatte. Diese siebentausend Rubel bildeten aber nurden dritten Teil des wirklichen Wertes des Waldes. WasiliAndrejitsch hätte vielleicht noch länger um den Preis gefeilscht,da der Wald in seinem Bezirke lag und zwischen ihmund den andern ländlichen Händlern des Kreises schon seitlanger Zeit eine Abmachung bestand, nach welcher ein Händlerin dem Bezirke eines andern den Preis nicht in die Höhetreiben durfte; aber Wasili Andrejitsch hatte erfahren, daßHolzhändler aus der Gouvernementsstadt vorhätten, nachGorjatschkino zu fahren und um den Wald zu handeln, undso hatte er denn beschlossen, sofort selbst hinzufahren unddie Sache mit dem Gutsbesitzer zum Abschluß zu bringen.Sowie ihn daher der Feiertag loskommen ließ, nahm er ausdem Kasten siebenhundert Rubel, die ihm gehörten, tat noch4zweitausenddreihundert Rubel Kirchengelder, die er in Verwahrunghatte, dazu, so daß dreitausend Rubel herauskamen,zählte die ganze Summe sorgsam durch, steckte sie in seineBrieftasche und traf Anstalten zur Abfahrt.
Der Knecht Nikita, der einzige von Wasili AndrejitschsLeuten, der an diesem Tage nicht betrunken war, ging hinaus,um anzuspannen. Der Grund, weswegen Nikita an diesemTage nicht betrunken war, war der: er war ein arger Trinker;aber nach der Fastnacht, wo er die Jacke vom Leibe undseine Lederstiefel vertrunken hatte, hatte er das Trinken verschworenund nun schon seit mehr als einem Monat nichtmehr getrunken; auch jetzt hatte er nicht getrunken, trotz derstarken Verführung, da überall an diesen beiden ersten Festtageneine tüchtige Menge Branntwein konsumiert wurde.
Nikita war ein Bauer aus einem Nachbardorfe und jetztfünfzig Jahre alt; er war, wie man von ihm sagte, keinrechter Hauswirt und hatte den größten Teil seines Lebensnicht in seinem eigenen Hause, sondern bei andern Leutenals Knecht verbracht. Überall schätzte man ihn wegen seinesFleißes, seiner Geschicklichkeit und Arbeitskra