oder
lustige Geschichten und drollige Bilder
für Kinder von 3–6 Jahren
von
Dr. Heinrich Hoffmann
564. Auflage

Rütten & Loening Verlag in Frankfurt am Main
Originalausgabe

Wie der »Struwwelpeter« entstand

Dr. Heinrich Hoffmann, der Verfasser des »Struwwelpeter«,erzählt dessen Entstehung wie folgt:

»Gegen Weihnachten des Jahres 1844, als mein ältesterSohn drei Jahre alt war, ging ich in die Stadt, um demselbenzum Festgeschenke ein Bilderbuch zu kaufen, wie es der Fassungskraftdes kleinen menschlichen Wesens in solchem Alter entsprechendschien. Aber was fand ich? Lange Erzählungen oderalberne Bildersammlungen, moralische Geschichten, die mitermahnenden Vorschriften begannen und schlossen, wie: »Dasbrave Kind muß wahrhaft sein«; oder: »Brave Kinder müssensich reinlich halten« etc. – Als ich nun gar endlich ein Foliobuchfand, in welchem eine Bank, ein Stuhl, ein Topf undvieles andere, was wächst oder gemacht wird, ein wahresWeltrepertorium, abgezeichnet war, und wo bei jedem Bildfein säuberlich zu lesen war: die Hälfte, ein Drittel, oder einZehntel der natürlichen Größe, da war es mit meiner Geduldaus. Einem Kind, dem man eine Bank zeichnet, und das sichdaran erfreuen soll, ist dies eine Bank, eine wirkliche Bank.Und von der wirklichen Lebensgröße der Bank, hat und brauchtdas Kind gar keinen Begriff zu haben.Abstrakt denkt ja das Kind noch garnicht, und die allgemeine Warnung:»Du sollst nicht lügen!« hat wenig ausgerichtetim Vergleich mit der Geschichte:»Fritz, Fritz, die Brückekommt!«

Als ich damals heimkam, hatteich aber doch ein Buch mitgebracht;ich überreichte es meiner Frau mitden Worten: »Hier ist das gewünschteBuch für den Jungen!« Sie nahmes und rief verwundert: »Das istja ein Schreibheft mit leeren weißenBlättern!« »Nun ja, da wollen wirein Buch daraus machen!«

Damit ging es nun aber so zu.Ich war damals, neben meinem Amtals Arzt der Irrenanstalt, auch nochauf Praxis in der Stadt angewiesen.Nun ist es ein eigen Ding um denVerkehr des Arztes mit Kindern vondrei bis sechs Jahren. In gesundenTagen wird der Arzt und der Schornsteinfegergar oft als Erziehungsmittelgebraucht: »Kind, wenn dunicht brav bist, kommt der Schornsteinfegerund holt dich!« oder: »Kind,wenn du zu viel davon issest, sokommt der Doktor und gibt dir bittereArznei, oder setzt dir gar Blutegelan!« Die Folge ist, daß, wenn inschlimmen Zeiten der Doktor gerufenin das Zimmer tritt, der kleine krankeEngel zu heulen, sich zu wehren, und um sich zu tretenanfängt. Eine Untersuchung des Zustandes ist schlechterdingsunmöglich; stundenlang aber kann der Arzt nichtden Beruhigenden, Besänftigenden machen. Da half mirgewöhnlich rasch ein Blättchen Papier und Bleistift; eineder Geschichten wie sie in dem Buche stehen, wird rascherfunden, mit drei Strichen gezeichnet, und dazu möglichstlebendig erzählt. Der wilde Oppositionsmann wird ruhig,die Tränen trocknen, und der Arzt kann spielend seineP

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